Wenn der Tag mit Wut beginnt
- Wer mein Tagebuch heute zum ersten Mal liest, wird vielleicht denken, ich übertreibe.
- Doch für alle, die mich und meine Lage kennen, ist klar:
- Was hier jeden Morgen passiert, spottet jeder Beschreibung.
- Und ich bin es langsam leid, mich zu wiederholen.
Aber heute muss ich es noch einmal sagen, und diesmal mit aller Deutlichkeit:
- Ich bin entsetzt.
- Und ich bin wütend.
Diese Küche ist keine Küche, das ist ein akustischer Kriegsschauplatz!
- Ab 5:30 Uhr – jeden einzelnen Tag – geht die Welt unter.
- Türen knallen, Glas fliegt, Schreie hallen durch die Gänge, als wären wir auf einem chaotischen Marktplatz in einem Krisengebiet.
- Wer glaubt, in einer Pflegeeinrichtung könne man zur Ruhe kommen, der sollte sich genau diesen Ort ansehen und anhören!
- Es ist ein einziges Desaster.
- Ein Zustand, der nicht länger hinnehmbar ist.
Trotzdem rette ich mir wie immer ein kleines Stück Normalität – mit dem Frühstück.
- Eine heiße Tasse Kaffee, schwarz und ohne Zucker, als mein tägliches Ritual der Selbstachtung.
- Zwei halbe Brötchen, mit guter Butter bestrichen – eine Hälfte mit kaltem Kräuterkäse, die andere mit gut gekühltem Kassler, dazu ein Frühstücksei, wie immer mit Salz, Pfeffer und Maggi.
Es sind diese Kleinigkeiten, die mir zeigen:
- Ich bin noch da.
- Ich lebe noch.
- Ich spüre noch Geschmack, trotz allem.
- Doch selbst dieses Frühstück steht im Schatten der morgendlichen Höllenküche, aus der mein Unmut längst zu einer tiefen Wut geworden ist.
Im Anschluss dann wie gewohnt mein digitales Sozialleben:
- Gespräche mit anderen Leidtragenden auf Facebook und Instagram, mein kleines Unwesen auf WhatsApp – das übliche, was eben noch geht.
Irgendwann ist auch der Vormittag vorbei, und das Mittagessen steht auf dem Tisch.
- Ich weiß nicht, warum die Fotos in letzter Zeit nichts mehr werden – vielleicht spiegelt sich auch dort mein innerer Zustand wider.
- Aber geschmacklich war das Essen in Ordnung.
- Eine kräftige Suppe mit Gemüse und Eierstich.
- Dann zartes Putenfleisch in Tomatensoße mit Reiskörnern, dazu Kartoffeln und Spargelspitzen in einer angenehmen Kräutersoße.
Der Nachtisch:
- Ein gut gekühltes Schälchen mit Früchten im eigenen Saft, garniert mit Vanillepudding.
- Genuss inmitten der Unruhe, wenigstens für ein paar Minuten.
Nach dem Mittagessen wie gewohnt die Pflege – und jedes Mal denke ich an die eine, die fehlt:
- Die Mutter der Kinder, die so viel besser war als alle anderen.
- Ihre Art, ihre Ruhe, ihre Hingabe – unersetzlich.
- Ich vermisse sie jeden Tag.
- Egal aus welchen Gründen sie gegangen ist – es tut weh.
Den Nachmittag habe ich dann, wie so oft, mit Arbeit verbracht!
- Beiträge recherchiert, Texte veröffentlicht, und dabei ständig mit den Gedanken bei den Kindern und bei ihr.
- Ich hoffe so sehr, dass es ihnen gut geht, dass sie lachen können, dass sie sich geborgen fühlen.
Irgendwann wurde es Abend.
- Eine Dose Frucht Buttermilch hat gereicht.
- Für den Fall der Fälle: ein paar Gläser mit Brühe auf Vorrat.
Abends dann wieder Facebook, WhatsApp, neue Beiträge – und im Streaming TV die neue Serie Big Sky.
- Offiziell FSK 12, aber was dort an Gewalt gezeigt wird, gehört definitiv eine Altersstufe höher.
- Nicht alles, was mit Etikett kommt, ist auch so harmlos, wie es scheint – das gilt wohl nicht nur für Serien!
Was bringt der nächste Tag ?
- Keine Ahnung.
Aber ich weiß schon jetzt, was ich wieder hören werde:
- Das Gedröhne aus dieser Küche – diese tägliche Zumutung, dieser Hohn für jeden Patienten.
- Ich bin es so leid.
- Und vielleicht schreibe ich morgen einer bestimmten Person nicht mehr.
- Vielleicht zeigt sich dann, ob sie etwas vermisst.
- Oder ob ich es bin, der sie vermisst.
Ich bin gespannt, wann der Punkt erreicht ist, wo Dir wirklich der Geduldsfaden platzt.
Ich glaube, er ist nicht mehr weit.
Da ist dann auch das Essen kein Seelentröster mehr.